Heute ist der Roses Revolution Day gegen Gewalt in der Geburtshilfe. Gewalt in der Geburtshilfe ist leider keine Seltenheit, sondern kommt viel häufiger vor, als wir es uns vorstellen können. Anlässlich dieses besonderen Tages möchte ich euch einen sehr ausführlichen und, wie ich finde, bewegenden Geburtsbericht von Merle teilen. Sie schreibt auch über die Schwangerschaft und das frühe Wochenbett. Der Bericht ist in drei Teile aufgeteilt, unten kommt ihr zum nächsten Teil. (Natalie)

Ich war mit unserem bisher ersten Kind schwanger und da ich selbst zuhause geboren wurde, hatte ich größtes Vertrauen in die außerklinische Geburtshilfe und beschloss, dass unser Baby hier im Geburtshaus zur Welt kommen sollte (mein Mann hat schnell gemerkt, dass er mich da nicht umstimmen konnte und hat es dann – zum Glück – gar nicht erst versucht). Es sprach auch zunächst nichts dagegen, aber wir wissen ja: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.

Die Schwangerschaft verlief prima, bis zu einer von mir unbemerkten Blasenentzündung in der 26. SSW, die dazu führte, dass sich der Gebärmutterhals etwas verkürzte und ich einen Gang runterschalten musste. Die Lage entspannte sich allerdings wieder. Sechs Wochen später befand meine Gynäkologin, dass das Wachstum zwischen Kopfumfang und Oberkörperumfang zu weit auseinanderlag und schickte mich zum Doppler-Ultraschall ins Evangelische Krankenhaus. Dort sagte man mir, dass sich unser Herzblatt in Beckenendlage befände, was mich leider nicht sonderlich überraschte, da das seit SSW 20 Kindchens bevorzugte und ab Woche 25 unveränderte Position war und eben, dass die Gyn recht hatte und der Oberkörper im Vergleich zum Kopf zu klein sei. Kein Grund zur Sorge, Plazenta und Nabelschnur sähen gut aus, ich müsste nur weiter jede Woche zur Beobachtung, sprich zu weiteren Doppler-Ultraschalls, vorbeikommen. Achtung, Sarkasmus: Toll!

Der zwischenzeitliche Versuch meiner Hebamme, den Wurm durch die ayurvedische Moxa-Therapie zur Wendung zu überreden, schlug leider fehl und so hörte ich bei beiden weiteren Terminen im EV nichts Überraschendes: BEL und zu kleiner Oberkörper. Ich versuchte, mich davon und von der Aussage der Krankenhausgynäkologin, dass es eventuell nötig werden könnte, das Herzchen früher zu holen, nicht beunruhigen zu lassen, waren doch sowohl mein Mann als auch ich immer leichte und schmale Kinder gewesen. So weit, so gut. Bei meinem letzten Besuch im EV in der 35. SSW wurden vorzeitige Wehen (die ich nicht schlimm fand und für Mutterbandschmerzen hielt) und ein erneut verkürzter Gebärmutterhals festgestellt. Man riet mir dringendst, die Nacht im Krankenhaus zu verbringen, damit ich strenge Bettruhe einhielte. Ich war davon wenig angetan, dachte ich doch, dass ich ebenso gut zuhause im eigenen Bett liegen und die mir zugeteilten Antibiotika nehmen könnte. Dieses Mal war mein Mann allerdings nicht meiner Meinung und ich blieb, ihm zuliebe (überzeugt war ich nicht). Es sollte ja nur eine Nacht sein.

Am späten Nachmittag des nächsten Tages überkam mich dann die Einsicht, dass an diesem Tag wohl kein Arzt kommen und nach mir sehen würde und so wurden aus einer Nacht zwei. Toll! Nach zwei Tagen wurde ich dann wieder einer Ärztin vorstellig, es hatte sich alles etwas verbessert, ich sollte aber sicherheitshalber noch über das Wochenende bleiben. Da ich, wie bereits zwei Tage zuvor, der Meinung war, dass ich auch zuhause nichts tun und Tabletten nehmen könnte (mehr machte man mit mir im EV auch nicht), entließ ich mich auf eigene Gefahr und feierte am Sonntag ein wunderschönes vorzeitiges Weihnachtsfest mit meinem Vater (eine zerrüttete Familie macht Weihnachten zu einem sehr ausgedehnten Fest :) ). Montag war ich nochmal bei meiner Gyn, die maß, dass der Gebärmutterhals wieder auf normaler Länge und damit wieder alles in Ordnung war, kaufte die letzten allerwichtigsten Dinge für’s Kind ein und nahm am letzten Termin des Geburtsvorbereitungskurses teil. Dienstag, ich war bei 35+1, hatte ich noch einem Termin zum Moxen bei meiner lieben Hebamme im Geburtshaus.

Wie immer redeten wir erst noch ein bisschen, bis ich merkte, dass meine Hose nass wurde. Ich ging völlig irritiert auf die Toilette, während es munter aus mir raus pladderte und dachte mir, dass ich wohl davon gehört hatte, dass der Beckenboden unter einer Schwangerschaft leiden würde, mir aber niemand gesagt hatte, dass Frau die Kontrolle über ihre Blasenentleerungen völlig verlieren würde. Tut sie ja auch nicht. Meine Fruchtblase war geplatzt. Darauf wäre ich aber im Leben nicht gekommen, hätte meine Hebamme es mir nicht gesagt (zuhause wäre ich ja völlig überfordert gewesen, zum Glück war ich gerade im Geburtshaus!). Tja, Goldkindchen wollte das richtige, echte Weihnachten wohl außerhalb des Bauches mitfeiern, dabei war sie erst für Mitte Januar geplant. Das Evangelische Krankenhaus, das zwar als eine der wenigen Geburtsstationen natürliche Geburten bei vorliegender Beckenendlage möglich macht, wollte uns nicht haben, waren wir doch sechs Tage zu früh dran für die Klinik ohne Neo-Station. Also mussten wir per Krankentransport ins Klinikum, bei dem ich mich weder vorgestellt hatte, noch das ich überhaupt für uns als Ort für die Geburt unseres Kindes in Betracht gezogen hatte. Das bedeutete für mich: Kaiserschnitt. Absolutes Kontrastprogramm zu dem, was ich mir gewünscht hatte! Ich nahm es mit Fassung, da ich mental bei jedem Termin, bei dem die Beckenendlage wieder bestätigt wurde, die Möglichkeiten, die es zu dem jeweiligen Zeitpunkt gab, durchging und da gab es in dem Moment eben nur diese eine.

Hier gehts zum zweiten Teil von Merles Geburtsbericht.

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