Dieser Geburtsbericht ist ein dreiteiliger Blogartikel. Hier gehts zum ersten Teil von Merles Geburtsbericht.

Unser Goldkindchen hatte – und dafür bin ich unglaublich dankbar, vor allem, weil ich immer öfter merke, was das für ein großes Glück war – außer ein wenig Schwierigkeiten, die Temperatur zu halten, keinerlei Anpassungsstörungen und konnte die ganze Zeit bei mir bleiben. Das schreibe ich zu einem großen Teil den Wehen zu und unter anderem deshalb bin ich so dankbar dafür, welche gehabt zu haben. Die folgenden Tage waren sehr anstrengend, aus sehr verschiedenen und vielfältigen Gründen. Wahrscheinlich geht es fast allen frischgebackenen Müttern so, aber in der ersten Nacht habe ich keine Minute die Augen zugemacht und ununterbrochen, das winzig kleine Klappmesser-Kind auf meinem Bauch angestarrt. Unser Smartie war 50 cm groß, wog leichte 2090 Gramm und klappte die Beine permanent ausgestreckt hoch zum Kopf, was der Beckenendlage geschuldet war. Das war also jetzt meins. Ok.

Irgendwann kamen die Schmerzen der Kaiserschnittnarbe und unglaubliche Rückenschmerzen (die waren fast schlimmer, als die Schnittschmerzen), die mich dann am Schlafen hinderten. Das furchtbar unbequeme Bett, dass ich als Bauchschläferin nun auf dem Rücken schlafen musste (noch ganze weitere vier Wochen!), das Licht, das immer an war, die Leute, die ständig in den Raum kamen und meine vor Schmerzen weinende Bettnachbarin, machten die Lage auch nicht besser. Am Tag nach der OP kam dann eine Physiotherapeutin und wollte allen Ernstes, dass ich aufstehe, ich habe sie ziemlich empört weggeschickt (ich bin mir sicher, das ist ihr nicht zum ersten Mal passiert) und mich gefragt, ob es tatsächlich irgendjemand schafft, so schnell aufzustehen. Als sie am nächsten Tag kam, fand ich es immer noch unvorstellbar, habe es dann aber doch versucht und es ging mir sehr schnell, sehr viel besser. An Tag drei konnte ich tatsächlich schon wieder duschen und fühlte mich endlich wieder wie ein Mensch. Die Schmerzen in der Narbe wurden immer erträglicher, ich habe schon an Tag zwei nach der Geburt keine Schmerzmittel mehr genommen und bin damit klargekommen, auch wenn es natürlich immer noch brutal weh tat.

Brutal ging es auch bei der Säuglingsernährung zu. Ich weiß nicht, ob es an dem geringen Geburtsgewicht unseres Kindchens lag oder ob es in der Klinik immer so gehandhabt wird, aber es gab gleich von Anfang für mein Empfinden viel Gewese (um nicht zu sagen: es wurde ordentlich Druck gemacht) ums Stillen. Ich fand es wirklich richtig stressig und dabei hatte ich echt superschnell den Milcheinschuss gehabt. Ich bilde mir ein, der kam schon direkt am ersten Morgen und mit ihm zwei zum Bersten gefüllte Brüste, die nach einem furchtbar schiefgelaufenen Silikonexperiment aussahen. Aber wem sage ich das… Na, jedenfalls hatte ich Unmengen an Milch, die ich dann nach Empfehlung einer der Schwestern auf der Station dann beidseitig abpumpte, um meinen schmerzenden Brüsten Abhilfe zu verschaffen. Ich kam mir echt vor wie eine Milchkuh. Nur leider mit dem Problem, dass mein Kind meine Milch nicht trank.

Die Stationspflegerinnen hielten keine Sekunde damit hinterm Berg, mir eindringlichst Stillhütchen zu empfehlen (eigentlich klang es eher so, als hätte ich gar keine andere Wahl), die ich so ziemlich ums Verrecken nicht benutzen wollte, weil ich davon so viel Schlechtes gehört hatte und es schlicht nicht so schnell aufgeben wollte, es auf „normalem“ Weg zu probieren. Schließlich haben wir es dann mit Spritze und Schlauch und dann – endlich mehr oder weniger erfolgreich – mit einem kleinen Becher versucht. Alles in allem war unser Stillstart also ziemlich holprig, zumal auch das Bechern tierisch frustrierend für mich war. Mein Mann war zum Glück besser darin, unserem Winzling meine Milch einzuflößen. Bei mir ging einfach nur immer alles daneben. Und obwohl es letztlich ganz gut funktionierte und unser Schatz dann auch bald anfing, gut an meiner Brust zu trinken, kam weiterhin Druck. Nicht nur von den Pflegerinnen auf der Station sondern auch von der Kinderärztin, die mir in ziemlich empörtem Ton sagte, ich müsse mein Kind mehr füttern, es würde sich ja schließlich schon selbst verdauen, ich müsse ja nur mal an ihm riechen und dann würde man ja ziemlich deutlich den Acetongeruch vernehmen, der dabei entstünde. Das war an Tag drei. Dass ich alles mir mögliche tat, schien dieser Frau wohl nicht in den Sinn zu kommen. Kind hatte abgenommen, ja. 120 Gramm, ja. Als wir an Tag fünf entlassen wurden, wog Kind aber schon wieder 2060 g, also nur knapp unter Geburtsgewicht.

Bei dieser einen Schmach sollte es aber nicht bleiben. Wie bereits erwähnt, hatte das Goldkindchen leichte Probleme damit, seine Körpertemperatur auf einem konstanten (und vor allem erwünschten Level) zu halten. Deshalb hatte es ein Wärmebettchen. In dem es in den fünf Tagen stationären Aufenthalts höchstens für zehn Minuten lag, nämlich genau dann, wenn ich auf Toilette musste und der Papa gerade nicht da war, um es zu halten. In der gesamten anderen Zeit befand sich unser Herzblatt entweder direkt auf meiner Brust oder ab und an auch mal beim Papa (der sollte ja auch etwas Bonding abbekommen). Auch nachts war das so. Nun wachte ich eines Nachts völlig desorientiert auf, weil es in unserem Zimmer furchtbar laut war. Ich schaute mich um und sah, dass da ein Baby auf meiner Brust lag. Hmm… Das schrie. Hmm… Was tun?! Stillen? Wollte es nicht. Dann wollte es wohl gewickelt werden. Ich klingelte nach wem auch immer. Es kam jemand. Eine Nachtschwester, die ich nicht kannte und die sich mir auch nicht vorstellte. Nachdem ich ihr gesagt hatte, wie die Lage war, nahm sie mein Kind, stellte fest, dass es nicht gewickelt werden musste und legte es mir wieder auf die Brust. Fieserweise hörte mein neues Leiblingsmenschlein just auf zu weinen und die Nachtschwester sagte in recht schnippischem Ton: „Tja, manchmal wollen die Kleinen einfach nur mal bei der Mama sein!“. Dann ging sie wieder und ließ mich völlig sprachlos und zutiefst getroffen wieder zurück. Werde ich nie vergessen, diesen Moment.

Wir hatten aber Glück, dass sich unser Abkömmling damit beeilte, sich an die hiesigen Verhältnisse anzupassen und so durften wir schon nach fünf Tagen endlich zur Kur, äh, nach Hause. Mit eineinhalb Litern abgepumpter Milch (davon war nichts älter als drei Tage. Ich finde, der Milchkuh-Vergleich ist eigentlich ganz passend gewesen…) und einem Rezept zum Ausleihen einer Milchpumpe. Vielleicht hätte ich nicht auf meine Wochenbett-Hebamme hören und das Rezept einlösen sollen, da hätte man vielleicht noch ein Riesengeschäft draus machen können. #IstMenschlicheMuttermilchEigentlichFürVeganerEthischVertretbar? :) Tja, Chance verpasst.

Um langsam mal zum Ende zu kommen: Ich und mein kleiner Spross haben wahnsinniges Glück gehabt, denn es hätte so unglaublich viel schlimmer laufen können. Eigentlich ist jegliches Gejammer jammern auf hohem Niveau und doch ist es so, dass ich auch jetzt noch – knappe zwei Jahre nach den Geschehnissen – wenigstens einmal in der Woche damit hadere, wie es gelaufen ist. Was wäre, wenn ich den Kaiserschnitt einfach abgelehnt hätte? Wenn ich einfach ins EV gegangen wäre, obwohl ich wusste, dass sie mich nicht haben wollten? Wenn die Hebamme eine halbe Stunde später gekommen wäre, um mich in den OP zu holen? Ich weiß, dass eine natürliche Geburt in Beckenendlage erst ab einem Kindsgewicht von 2 kg empfohlen wird, mein Kind war nur knapp drüber, aber sprachen nicht alle Zeichen dafür, dass es gut gegangen wäre? Oft werde ich wütend auf das Klinikum, weil die Geburtshelfer dort nicht lernen, wie man mit natürlichen Geburten bei Sonderfällen wie uns umgeht, dabei besteht hier gar kein größeres Risiko (natürlich vorausgesetzt, die Beteiligten wissen, was zu tun ist). Immer wenn mein Kind hustet, habe ich Angst, dass der Kaiserschnitt jetzt schuld daran ist, dass mein Kind Asthma oder sonstwas hat (hat es aber gar nicht, es war nur mal im Gespräch), immerhin waren wir damit schon zweimal stationär in der Kinderklinik. Sehr oft wünsche ich mir eine zweite Geburt, einfach, um die erste besser zu machen. Aber was, wenn es wieder alles so schiefläuft? Was, wenn es vielleicht sogar schlimmer kommt? Ich glaube fest daran, dass es mal gut werden kann und ich eine natürliche Geburt meistern kann, weiß ich doch, dass die Wehen in der Eröffnungsphase selbst im Liegen aushaltbar waren und besagte Phase auch nur kurz gedauert hat. Aber was, wenn es dann doch anders sein sollte? Zerbreche ich dann daran? Und dieses überwältigende Mutterliebe-Gefühl, von dem so unglaublich viele Mütter sprechen, kommt das dann, wenn ich es geschafft habe? Oder gibt es das vielleicht doch gar nicht? Bin ich dann enttäuscht? Kann ich damit dann umgehen? Eins steht für mich jedenfalls fest: Ich werde alles mir Mögliche tun, um eine völlig selbstbestimmte und wunderbare Hausgeburt erleben zu können.

Das Titelbild kommt von pixabay.com.