"Ich stille mein Baby", so wird es doch immer gesagt. Und auch im Duden steht zu dem Verb stillen:

1.a. (einen Säugling) an der Brust Muttermilch trinken lassen
1.b. einen Säugling durch regelmäßiges Stillen ernähren

Weiteres zur Bedeutung erläutere ich später. So wie das Wort also auch im Duden definiert bzw. erklärt wird impliziert es eine Passivität unserer Babys. Doch machen wir als Mütter wirklich alles beim Stillen? Ist es nicht vielmehr unser Baby, das den größeren aktiven Part dabei hat?

Stillen würde doch gar nicht funktionieren, wenn unser Baby nicht aktiv saugen würde. Unser Baby würde nicht zwangsläufig trinken, wenn wir ihm die Brust in den Mund stecken. Ja, manchmal würde es vielleicht nicht einmal den Mund öffnen. Wenn es Hunger hat, ist vieles beim Stillen von Reflexen des Babys gesteuert. Das Baby saugt also relexartig. Aber es tut dies aktiv, auch wenn es ein angeborener Reflex ist.

Auch viele weitere Reflexe spielen in Bezug auf das Stillen eine große Rolle und existieren nur, damit das Stillen funktionieren kann. Nach der Geburt und auch später muss das Baby eigentlich nicht aktiv von der Mutter (oder einer anderen Person) zur Brust gebracht werden. Wenn die Mutter auf dem Rücken oder leicht aufrecht liegt, findet das Baby von ganz alleine die Brust und beginnt zu trinken, wenn wir es nur lassen. Nein, Babys können noch nicht krabbeln oder besonders weit sehen, aber die Natur hat das ziemlich clever eingerichtet.

Durch den Schreitreflex kann das Baby sich abstoßen und langsam nach oben zur Brust robben. Der Suchreflex hilft ihm beim Finden der Brust bzw. der Brustwarze. Die Brustwarze hat sich bereits in der Schwangerschaft verändert und ist dunkler geworden. Dadurch kann das Neugeborene diese besser erkennen, zusätzlich zu dem Spüren an seiner Wange. Auch die Ausprägung der Linea Negra, der mittigen Linie am Bauch, soll Hypothesen zufolge einem Säugling den Weg zur Brust erleichtern. Auch der Geruch lässt das Baby seinen Weg finden.

Bei diesem Vorgang müssen wir eigentlich nichts weiter tun, als abwarten. Womöglich kann es helfen, das Baby etwas zu halten und den Kopf zu unterstützen. In den meisten Fällen ist dies aber nicht notwendig. Das Baby ist also gar nicht so passiv, wie es das Verb in seiner Bedeutung vermuten lässt. Wenn wir unsere Babys lassen, müssen wir kaum noch etwas tun und sind dann ziemlich passiv. Wir können unser Baby dabei einfach verliebt anschauen und es machen lassen. (Und ja, im Alltag ist nicht immer Zeit dafür.)

Eine weitere Wortbedeutung, die im Duden beschrieben ist, ist Folgende:

2. (ein Bedürfnis) befriedigen, zum Aufhören bringen.

Ich finde, diese Bedeutung geht viel zu oft unter. In der Ausbildung zur Stillbegleiterin wurden wir gefragt "Wer hat euch gestillt?". Damit war nicht gemeint, wer uns an der Brust ernährt hat, sondern wer unsere Bedürfnisse als Babys und auch später noch befriedigt hat.

Ich möchte hier nicht über die Bedeutung von Muttermilch schreiben, denn Stillen impliziert so viel mehr. Jeder, der eine Bindung zu einem Baby aufbaut, kann es stillen. Er oder sie kann die Bedürfnisse des Babys stillen. Das muss nicht mit der Brusternährung sein. Stillen ist viel mehr als Nahrung. Das kann genauso mit der Flasche geschehen und beim Kuscheln und beim Baden oder Wickeln. (Also ihr lieben Flaschenmamas, ihr stillt genauso!)

Es gibt also viele Möglichkeiten die Bedürfnisse eines Babys zu stillen. Und auch hierbei ist nicht immer nur zwangsläufig die Mama aktiv. Das ist häufig auch der Papa, oder auch Oma und Opa. Das Baby baut dabei eine Beziehung, eine Bindung, auf zu diesen Personen.

Ich komme noch einmal zur Anfangsfrage: Wer stillt hier eigentlich wen? Ich würde sagen, dass bei diesem Prozess mehrere Personen beteiligt sind oder sein können. Das Baby ist dabei genauso aktiv, wie Mama oder auch Papa.