Julia Ronnenberg ist Hebamme und hat sich auf das Thema Beckenboden und Rückbildung spezialisiert. Ich freue mich sehr, dass sie diesen Gastartikel zum Thema Beckenboden nach der Geburt für mich geschrieben hat. Weitere Informationen zu Julia und ihren Angeboten findest du auf ihrer Website mammacita.de.

Viel Spaß beim Lesen!

Unsere Muskulatur im Becken nehmen wir oft erst bewusst wahr, wenn ihre Kraft schwindet. Dann, wenn die Beckenbodenmuskeln ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen können. Ich habe als Hebamme viele Frauen betreut, die von ihrem Beckenboden und seiner Funktion erst durch Schwangerschaft und Geburt erfahren haben. Da gerade diese Zeit dem weiblichen Körper viel abverlangt, ist das Thema im Wochenbett und der Zeit danach unglaublich wichtig.

So let’s talk about Beckenboden. Welchen Belastungen ist er durch die Geburt Deines Babys ausgesetzt? Wie bringst Du ihn danach wieder schonend in Form? Und auf was solltest Du achten, wenn Du im Wochenbett Dein Baby tragen möchtest?

Inhaltsangabe

Basisinfos Beckenboden

Stell Dir Deinen Beckenboden wie eine Art starke Hängematte vor, die Dein Inneres mit all seinen Organen nach unten trägt. Er besteht aus drei Muskelschichten und Bändern, die sich fächerartig zwischen Steißbein und Schambein erstrecken und in der Mitte durch die drei wichtigen Körperöffnungen Harnröhre, Vagina und Enddarm unterbrochen wird.

Die Beckenbodenmuskeln halten unsere Organe im Becken an Ort und Stelle, verschließen die drei Körperöffnungen ganz oder teilweise und haben damit die Aufgabe die Kontinenz von Blase und Darm zu sichern. Ein starker Beckenboden sorgt im besten Fall Dein ganzes Leben dafür, dass selbst bei hohem Druck (z.B. durch Niesen, Husten oder Lachen) nichts ungewollt nach außen dringt. Außerdem steuert er dem Druck entgegen, der auf unseren Körper beim Tragen schwerer Lasten entsteht.

Der Beckenboden ist wohl der vielfältigste Muskel unseres Körpers. Er muss flexibel und schwingfähig sein und gleichzeitig aber auch kräftig und stabilisierend. Neben den oben genannten Funktionen ist die Beckenbodenmuskulatur aktiv an unserem Sexualleben beteiligt und unterstützt zusammen mit der tiefliegenden Bauch- und Rückenmuskulatur die Aufrichtung der Wirbelsäule.

Der Beckenboden und Dein Baby

Während einer Schwangerschaft wirken verschiedene Kräfte auf den Beckenboden, der dadurch zunehmend weicher und schwächer wird. Dein Körper produziert Schwangerschaftshormone, die das Gewebe auflockern, um es auf eine natürliche Geburt vorzubereiten. Dein Beckenboden trägt zusätzlich immer mehr Gewicht durch das wachsende Baby in der Gebärmutter. Das bedeutet bis zu 6 kg Zusatzbelastung bis zur Geburt.

Erschwerend kommt dazu, dass sich die Position des Beckens in der Schwangerschaft verändert, weil auch die Bauchmuskeln durch den wachsenden Babybauch schwächer werden. Die Folge kann ein Hohlkreuz sein, das die Arbeit der Beckenbodenmuskulatur zusätzlich erschwert. All das wirkt bereits schwächend auf den Beckenboden. Es ist deshalb ein Irrglaube, dass ein Kaiserschnitt ein gezieltes Beckenbodentraining nach der Geburt überflüssig macht.

Allerdings setzt eine natürliche Geburt dem ganzen noch die Krone auf und verlangt Höchstleistungen von Deinem Beckenboden. Die Muskulatur muss sich extrem dehnen und das Gewebe erleidet in der Regel kleine Verletzungen. Eine Geburtsverletzung, wie ein Dammschnitt oder Dammriss, schwächt den Beckenboden zusätzlich und verlängert den Heilungsprozess. Du solltest die Wochen nach der Geburt, das Wochenbett, deshalb unbedingt zur Regeneration Deines Körpers nutzen. In erster Linie bedeutet das Entspannung und viel Liegen. Im zweiten Schritt, wenn alle Wunden verheilt sind, trägt Rückbildungsgymnastik zum Aufbau der geschwächten Muskulatur bei.

Wie kann ich meinen Beckenboden im Wochenbett schonen?

Nach einer Zeit, in der Deine Beckenbodenmuskulatur sehr beansprucht wurde, ist sie besonders fragil und muss sich regenerieren. Wieso Du ihr diese Zeit im Wochenbett unbedingt geben solltest? Um Spätfolgen einer Beckenbodenschwäche zu vermeiden. Ein schwacher Beckenboden holt die meisten Frauen mit zunehmendem Alter ein, aber auch schon junge Frauen (besonders im ersten Jahr nach der Geburt) können Symptome eines schwachen Beckenbodens haben. Sie merken möglicherweise bei jedem Niesen, jedem kleinen Husten oder einem Sprung, wie aus ihrer Blase Urin oder aus dem Darm ein Wind austritt. Der Beckenboden kann seine Funktionen nicht mehr zuverlässig erfüllen.

Symptome eines schwachen Beckenbodens sind:

  • Blasenschwäche / Inkontinenz
  • Probleme im Darmbereich / am Schließmuskel
  • Gebärmuttersenkung / Organsenkung
  • Bleibendes Druckgefühl im Bereich der Vagina
  • Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, dem unteren Rücken oder der Hüfte
  • Fehlhaltungen des Beckens

Die Devise lautet Prävention. Im Wochenbett solltest Du deshalb vor allem auf zu große körperliche Belastungen verzichten. Nun lassen sich schwere Hausarbeiten, Gartenarbeiten oder Möbelkäufe verschieben. Aber als Mama willst Du natürlich für Dein Baby sorgen. Das bedeutet auch, es zu halten, zu tragen, in der Babyschale ins Auto zu transportieren. Gelingt es Dir, das Heben und Tragen des Babys bewusst zu koordinieren, kannst Du Dich ausreichend schonen. Und mit zunehmendem Gewicht des Kindes Deinen Beckenboden aktiv stärken.

Wie viel darf man nach der Geburt tragen?

Die meisten Menschen wissen: Schwer heben nach Geburt und im Wochenbett ist tabu. 5 kg an Gewicht, so die Faustregel, solltest Du maximal in dieser Zeit tragen. Das ist natürlich nur ein Wert zur Orientierung. Dein Beckenboden hat der Schwerkraft in den ersten Wochen nach der Geburt nichts entgegenzusetzen. Er ist stark überdehnt und hängt durch. Deshalb solltest Du vor allem das frühe Wochenbett durchaus wortwörtlich nehmen: Verbringe viel Zeit im Liegen und stehe so wenig wie möglich.

Eine alte Hebammenregel lautet: “7 Tage im Bett, 7 Tage auf dem Bett und 7 Tage ums Bett herum.”

Eine Frau stillt ein Baby im Liegen.

Auch diese Regel ist nicht zwingend zu befolgen, sondern soll nur verdeutlichen, dass Du Dich schonen sollst und Dich gerade in den ersten Woche zwischen Sofa und Bett bewegen solltest, statt lange Spaziergänge zu machen. Wenn Du Dein Baby doch einmal trägst, belasse es zunächst bei kurzen Strecken.

Lass Dich umsorgen und gib dem Körper Zeit, die Strapazen zu verarbeiten. Übrigens, der Beckenboden wird auch im Sitzen belastet, da auch im Sitzen die Organe auf ihm lagern. Sicher wird es sich nicht vermeiden lassen, dass Du Dein Baby auch mal im Sitzen versorgst. Für die Regeneration Deines Beckenbodens ist jedoch das beste, wenn Du im Liegen stillst und Dich auch sonst viel in der Horizontalen aufhältst. Ein Kissen unter Deinem Becken entlastet den Beckenboden zusätzlich.

Glücklicherweise ist das Gewicht des Babys, das meist zwischen 3 und 4 Kilogramm liegt, zu Beginn nicht problematisch. Es mag jedoch Situationen geben, die Du besser dem Papa oder anderen Helfern überlässt. Wenn die Babyschale beispielsweise samt Baby ins Auto soll oder der Korb voll Wäsche aus dem Keller nach oben muss, solltest Du - wenn möglich - delegieren. Startest Du nach einigen Wochen mit Rückbildungsübungen, wird auch Dein Beckenboden langsam wieder an Stärke gewinnen.

Allgemeine Tipps für körperschonendes (beckenboden- und rückenschonendes) Tragen:

  • Beim Aufheben vom Boden nicht bücken, sondern mit aufrechtem Oberkörper in die Knie gehen
  • Gewicht möglichst nah am Körper tragen
  • Gewicht gleichmäßig verteilen (idealerweise vor oder hinter dem Körper)
  • Wiederholt einseitiges Tragen vermeiden
  • Den Beckenboden gezielt anspannen, wenn man etwas hebt oder trägt

So trägst Du Dein Baby schonend für Rücken und Beckenboden

Willst Du Dein Baby tragen, stehen sich das Bedürfnis nach Nähe und Dein Körperbefinden schnell gegenüber. Natürlich möchtest Du Dein Baby trösten, umsorgen und tragen, wann immer es nötig ist. Zeitgleich sollst Du Deinen Körper nicht überlasten. Ich plädiere hier für eine heilsame Ausgewogenheit, bei der beide Bedürfnisse nicht zu kurz kommen. Wenn möglich anfangs noch nicht so lange tragen und mit der Zeit und steigender körperlicher Fitness die Tragedauer steigern. Bis dahin kann vielleicht Dein Partner den Löwenanteil übernehmen, um das Tragebedürfnis Eures Babys zu stillen. Schonend für den Körper sind folgende Trageweisen:

Das Baby vor dem Körper tragen …

… verteilt das Gewicht gleichmäßig. Das Baby sollte sich dabei möglichst nah am Körper und Deiner Körpermitte befinden. Sehr angenehme Hilfsmittel für diesen Zweck sind Babytragen und Tragetücher. Gerade bei kleinen Babys solltest Du darauf achten, dass das Tragetuch richtig gebunden oder die Tragehilfe passend eingestellt ist. Mit ein bisschen Übung und der korrekten Tragetechnik erleichtern sie Dir den Alltag, sorgen für freie Hände und große Nähe.

Eine Frau hilft einem Mann beim Binden eines Tragetuchs mit Baby.

Das Baby auf dem Rücken tragen …

… kannst Du mit der richtigen Babytrage oder einem Tragetuch ebenfalls. Im Grunde ist unser Körper ergonomisch dafür geschaffen, Lasten auf dem Rücken zu tragen. Es sorgt automatisch für eine aufrechtere Körperhaltung. Ein Wechsel zwischen den beiden Tragevarianten ist deshalb sehr sinnvoll. Jedoch wird das Tragen auf dem Rücken mit Tragehilfen erst nach 3 Monaten empfohlen, wenn die Babys ihren Kopf kontrollieren können. Mit einem fest gewebten Tragetuch ist es bei guter Bindeweise bereits ab Geburt möglich, auf dem Rücken zu tragen.

Je älter Dein Baby wird, desto mehr Gewicht bringt es auf die Waage. Das ist natürlich hervorragend, macht das Tragen aber schwieriger. So lange ein Kind noch nicht stehen und laufen kann, ist und bleibt es ein Tragling. Du kannst Dir aber die Last ein wenig reduzieren. Lass beispielsweise die Babyschale im Auto und trage nur das Baby, sobald Dir das Gewicht zu viel wird. Ist das Kind in der Babyschale eingeschlafen, nutze ein Gestell, um die Babyschale zu transportieren.

Das Tragen von Geschwisterkindern

Schwierig wird es für alle Mehrfachmamas, die neben einem Säugling auch ein Geschwisterkind zu versorgen haben. Im Wochenbett nur bis 5 kg tragen und heben? Was mache ich dann mit dem Anderthalbjährigen, wenn er gewickelt oder getröstet werden muss? Es wird nicht immer möglich sein, ganz aufs Heben zu verzichten. Schließlich hat auch Dein älteres Kind ein Bedürfnis nach Mama. Du kannst die körperliche Anstrengung für Dich allerdings reduzieren.

Eine Frau trägt ein Baby im Tragetuch während sie mit einem Kleinkind am Boden spielt.

Wende Dich Deinem Kind auf seiner Augenhöhe zu. So kannst Du Dich beispielsweise zu ihm hinunter hocken, um es zu trösten oder zu umarmen. Erleichtere ihm mit einem Hocker den Aufstieg zum Wickeltisch oder der Sitzbank, damit es diesen Weg aus eigener Kraft meistern lernt. Wenn das Geschwisterkind noch im Gitterbett schläft, entferne die Schlupfstangen. Dann kann es morgens alleine aufstehen und muss nicht hinaus gehoben werden. Im Endeffekt entlastest Du Dich damit nicht nur, Du gestehst dem älteren Kind eine erste Selbstständigkeit zu. Und da sind viele ganz schön stolz drauf!

Wie lange dauert es, bis der Beckenboden wieder trainiert ist?

Nach einer Geburt ist in jedem Fall regelmäßige Rückbildungsgymnastik nötig, um die Funktionsfähigkeit des Beckenbodens wieder herzustellen/ zu erhalten. Für merkliche Effekte solltest Du mindestens 12 Wochen regelmäßig trainieren und auch danach weiter am Ball bleiben. Nach der Rückbildungsgymnastik empfehle ich Dir Aufbauübungen, bevor Du mit beckenbodenbelastenden Sportarten beginnst. In vielen Städten gibt es dafür spezielle Mama Kurse, wo die Bedürfnisse von jungen Müttern berücksichtigt werden.

Nach der Rückbildungsphase eignen sich einige Sportarten zum Wiedereinstieg ganz besonders. Dazu gehören beispielsweise:

  • Gymnastik/ Yoga/ Pilates
  • Schwimmen
  • Walken
  • Fahrrad fahren
  • Tanzen (ohne Hüpfen)

Wir Hebammen sagen: “Es kommt 9 Monate, es geht 9 Monate.”

Das kann man auch auf den Beckenboden übertragen. Bis dieser ausreichend gekräftigt ist, kann es Monate oder sogar bis zu einem Jahr dauern. Auch ein wenig abhängig davon, ob eine Frau stillt oder nicht, denn die Stillhormone lockern das Gewebe auf. Je nach Bindegewebe und Durchhaltevermögen kann der Beckenboden für Frauen ein lebenslanges Thema bleiben. Ganz individuell kannst Du Dir hierzu Routinen angewöhnen - zum Beispiel während des Zähneputzens eine bestimmte Beckenbodenübung durchzuführen.

Eine Baby liegt auf dem Bauch einer Frau und scheint zu stillen.

Alltagstipps für einen gesunden Beckenboden mit und ohne Baby

Beckenbodentraining ist auch für Männer und Frauen ohne Baby ein Thema. Du kannst im Alltag sehr viel für Deinen Beckenboden tun, indem Du ihn einfach entlastest und regelmäßig trainierst. Mit wenigen Routinen schaffst Du auf diese Art gute Voraussetzungen für einen gesunden Beckenboden, der keinem zu großen Druck ausgesetzt ist.

Gehen wir gemeinsam durch den beckenbodenfreundlichen Tag:

Ausgewogenes Aufstehen:

Wenig Druck auf den Beckenboden üben Deine Bauchmuskeln aus, wenn Du Dich zuerst zur Seite rollst, die Beine aus dem Bett schiebst und gleichzeitig den Oberkörper mit den Armen vom Bett hoch drückst.

Stehen und Sitzen:

Parallel positionierte Füße sorgen für eine gute Verteilung des Körpergewichts und eine ausgeglichene Blutzufuhr.

Niesen und Husten:

Wende Dich gezielt Deiner nach oben gestreckten Armbeuge oder Deiner Schulter zu. Die seitlichen Bauchmuskeln federn den Druck dann ab.

Gerader Rücken:

Eine aufrechte Haltung entlastet grundsätzlich Deinen Beckenboden. Du solltest weder einen Buckel noch ein Hohlkreuz haben.

Bauchmuskeln trainieren:

Beginne mit Übungen für die tiefe und schräge Bauchmuskulatur. Vermeiden solltest Du in den ersten Monaten Sit-Ups.

Richtig Heben und Senken in Fußbodennähe:

Gewöhne dir an, mit gestrecktem Rücken in die Knie zu gehen, statt den Oberkörper vornüber zu beugen.

Ballaststoffreich ernähren und ausreichend trinken:

Sorgst Du für weichen Stuhl, musst Du beim Toilettengang wenig Druck ausüben.

Du interessierst dich für weitere Hebammen-Tipps rund um den Beckenboden, Schwangerschaft und Geburt? Schau gerne auf meinem Hebammenblog vorbei oder folge mir und mammacita auf Instagram und Facebook-Seite.