Anne hat Endometriose. Ich bin sehr dankbar, dass sie darüber offen spricht und mir diesen Artikel geschrieben hat. Was also Endometriose ist, was Anne alles durchmachen musste und wie sich alles entwickelt hat, berichtet sie hier. Danke dir, liebe Anne für deine Offenheit und deinen Mut! Du bist so stark und kannst vielen Frauen Kraft geben! Der restliche Text ist nun von Anne. (Natalie)

„Ja ich hab auch immer voll die Krämpfe wenn ich meine Tage habe, da hilft bei mir Bachblütentee.“

„Hast du schonmal was Homöopathisches versucht?“

„Ja komm, Schmerzen bei der Periode sind doch normal. Übertreibst du nicht etwas?“

„Ich kann bei Ihnen nichts Verdächtiges auf dem Ultraschall sehen, da ist alles in Ordnung.“

„Na also, das ist doch total normal, dass man Schmerzen bei den Tagen hat. Und Sie können doch nicht ständig Schmerzmittel nehmen. Ich verschreibe ihnen einen Tee; meine Patientinnen schwören darauf.“

„Also wenn man wegen Regelschmerzen krank machen darf, bleib ich jetzt mit einem Schnupfen auch immer zuhause.“

„Du hast echt einen Behindertengrad für Endometriose bekommen? Also nicht falsch verstehen, freut mich ja für dich, aber ist schon etwas to much, oder?“

„Ich sag ja, diese Hormone sind absolutes Gift. Das liegt garantiert an der Pille.“

„Vermutlich Reizdarm. Ich empfehle eine Ernährungsumstellung.“

„Sie wollen darauf anspielen, dass sie Endometriose am Darm haben?- Das ist höchst selten. Ach wissen Sie, im Internet steht so viel. Aber wenn Sie wirklich solche Schmerzen haben, würde ich Ihnen vorschlagen es mal bei einem Gastroenterologen zu versuchen.“

Wenn man an Endometriose erkrankt ist, gibt es gleich zwei Probleme. Zum einen ist es natürlich die Krankheit selbst, zum anderen – und das erscheint mir fast genauso missgünstig - die Tatsache, dass wirklich niemand weiß, was das überhaupt ist.

Was ist Endometriose?

Gute Frage. Ein Arzt erklärte mir, dass es nichts Anderes als eine aggressive, gutartige Krebsform ist. Die Endometriose hat viele Gesichter, denn sie tritt bei jedem unterschiedlich auf. An verschiedenen Orten, zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Ausprägungen.

Frau in Bauchlage.

Bei vielen Frauen ist die der Grund, warum sie vergeblich auf ein Kind warten, bei anderen der Grund, warum ein ganz normaler Tag zur Tortur werden kann. Es sind die Schmerzen, die einen an manchen Tagen regelrecht um den Verstand bringen. An anderen Tagen kann man abhängig vom normalen Zyklus einer Frau nicht mehr ohne Wärmflasche aus dem Haus, an anderen Tagen fühlt man sich prächtig.

Leider gibt es zur Endometriose noch keine verlässliche Angabe, woher sie kommt und warum sie kommt. Fest steht, dass es Schleimhaut ist, die der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, wuchert und im schlimmsten Falle mit anderen Organen verwächst und zu gutartigen Tumoren heranwächst. Die oftmals schwarzen Wucherungen nennen sich Endometrioseherde; sind oftmals entzündlich und halten jede Menge Überraschungen bereit. Die Einteilung der Schwere erfolgt in Graden von I bis IV.

Begleiterscheinungen lassen ab einer bestimmten Ausprägung nicht lang auf sich warten.

An manchen Tagen fühlte ich mich als könnte ich mit meinen Wassereinlagerungen ein kleines afrikanisches Dorf versorgen, zeitweise konnte ich nicht mehr aus dem Haus, weil ich ohne der Anwesenheit einer Toilette in der Nähe nicht sicher sein konnte. Wenn ich nicht gerade Durchfall hatte, konnte ich zwischendurch gut und gerne mal 5 Tage gar nicht auf Toilette gehen und fühlte mich fiebrig, müde und schlapp.

Mein Bauch schwoll in dieser Zeit immer auf eine beträchtliche Größe an, die ich unter gesunden Umständen in das zweite Schwangerschaftstrimester eingruppieren würde. Ja, Endometriose ist schmerzhaft, lästig und leider auch unappetitlich.

Unter Ärzten wird Endometriose liebevoll das „Chamäleon“ unter den Krankheiten genannt, weil sie so wandelbar ist und man sie so schwer findet. Ich sag euch mal was - Chamäleons sind wundervolle Tiere und sie tun niemandem was. Endometriose kann einem sehr wohl etwas antun. Von dauerhaften, lähmenden Schmerzen bis zur Berufsunfähigkeit.

Alles begann mit einem leichten Ziehen im Unterleib, später war es ein dauerhaftes Drücken, gefolgt von Durchfall, Migräne, Kreislaufzusammenbrüchen und Rückenschmerzen. Mit 19 Jahren saß ich bereits bei dem 5. Frauenarzt, der mir das 13. Hormonpräparat verschrieb; nicht ohne geduldig zu erwähnen, dass Schmerzen während der Periode ja normal seien und er mir nicht mehr helfen kann.

Verstopfung, tagelang, gefolgt von schmerzhaftem Durchfall, teilweise so heftig, dass ich während des Stuhlgangs auf der Toilette zusammen sank und vom Klo herunter fiel oder die Schmerzen veratmen musste. Die Symptome traten in den ersten Jahren nur im Zusammenhang mit meiner Periode auf und wurden erst später zum Dauerbrenner.

Ein Tropf im Krankenhaus.

Die Spirale verschaffte mir ein Jahr lang nach der Geburt eine kleine Atempause, nachdem auch bei einer Magen-Darm-Spiegelung nichts festgestellt wurde. Ich bekam meine Tage nicht mehr und fühlte mich, bis auf die Schmerzen beim Verrichten meines Geschäfts echt prächtig. Dann stieß mein Körper die Spirale ab und es ging von vorn los.

Eine Schublade mit OP-Besteck.

Mich ereilte zwei Jahre später eine Eileiterschwangerschaft und ich fand mich in einem Krankenhaus mit starken Blutungen wieder. Da kam mir der Einfall und ich bat die Ärzte mal in meinem Inneren nach dem Rechten zu sehen, wenn sie doch eh einmal drin waren.

Ja, schwarzer Humor war schon immer mein Ding. Die Ärzte waren überrascht von dem, was sie dann sahen - ich eher weniger. Am stärksten betroffen war der Darm und das Bauchfell.

Es befanden sich laut OP-Bericht mehrere „bis zu 5cm ausgedehnte Herde“ in meinem gesamten Beckenraum. Es sollten nochmal 18 Monate, drei temporäre Darmverschlüsse, zahlreiche Sturzblutungen und nicht zuletzt eine 9-monatige Hormonbehandlung vergehen bis ich vor zwei Wochen zu einer weiteren OP antrat, bei der mir letztlich alles entfernt wurde.

OP-Team im Einsatz.

Die OP dauerte dreimal so lang wie erwartet; am Tag nach der OP kam der Arzt zu mir ans Bett und legte seine Hand auf meine Schulter. „Das war ein echter Kampf“, sagte er. „Aber ich habe alles entfernt, was ich gesehen habe.“

Als er das Zimmer wieder verließ, musste ich nur noch heulen. Aus Trauer über die ganzen Jahre, die ich mich wie ein winselnder Jammerlappen fühlte; eine Mimose; bis ich zum Schluss selber glaubte ich bildete mir alles nur ein. Aus Trauer über die vielen Schmerzen und den guten Sex, der mir entgangen war, weil ich vor Schmerzen abbrechen musste. Aus Trauer über die Partys, die mir entgangen waren, weil ich zu müde von der Hormontherapie war, über die viele verschenkte Zeit bei Frauenärzten, die mich nicht ernst nahmen und nicht zuletzt auch aus Erleichterung, dass ich mir das alles doch nicht einbildete.

Viele Jahre wurde daher nicht darüber gesprochen, denn die Scham eine gynäkologische Krankheit zu haben, sitzt noch tief in den Köpfen der Frauen. Über sowas redete man eben nicht und auch heute begegne ich noch vielen Menschen, die sich in ihren Halbwahrheiten wähnen und mir sagen, dass doch Schmerzen während der Periode völlig normal seien.

Ich versuche es mal sachlich zu formulieren: Wenn du noch jeden Tag aufstehen und normal zur Arbeit gehen kannst, ein kleines Ziehen und Zwicken dir nicht die Laune verdirbt und du noch anderen Vorhaltungen machen kannst, dass sie sich nicht so anstellen sollen, dann hast du mit großer Wahrscheinlichkeit keine Endometriose.

Wenn dir Bachblüten, irgendwelcher homoöpathischer Firlefanz oder der Bio-Kräutertee deiner Oma gegen Endometrioseerscheinungen helfen, dann hast du keine Endometriose, verdammt nochmal! Schätze dich glücklich!

Wenn du mit unsäglichen Schmerzen zu kämpfen hast, die dir schubweise den Tag versauen, wenn du aufgrund dieser Schmerzen an Kreislaufproblemen leidest, im Stehen zusammenbrichst, derart blutest, dass du an manchen Tagen im 30 Minuten Takt zur Toilette musst und allmählich das Gefühl hast, dass dich das alles langsam einschränkt, dann solltest du zu einem erfahrenen Frauenarzt oder in ein zertifiziertes Endometriosezentrum gehen.

Endometriose ist keine Einbildung und kein Spaziergang. Aber vor allem ist sie nicht heilbar. Wer einmal daran erkrankt ist, hat gute Chancen, sich alle paar Jahre oder sogar Monate auf dem OP-Tisch wieder zu finden. Die einzig wirksame Medizin ist Empathie und Wissen.

Literaturempfehlung:

1. Martina Liel - Nicht ohne meine Wärmflasche

2. Website der Endometriose-Vereinigung

Wenn du mehr von Anne lesen möchtest, kannst du gerne ihre Facebookseite oder ihren Blog besuchen.

Bildquellen:

Das Titelbild des Artikels ist lizensfrei nutzbar und kommt von unsplash.com.

Das Bild im Artikel von der Krankenhausschublade kommt von unsplash.com.

Das Bild im Artikel von dem Ständer im Krankenhaus kommt ebenso von unsplash.com.

Das Bild im Artikel von dem Op-Team kommt ebenso von unsplash.com.

Das Bild im Artikel von der Frau ebenso von unsplash.com.