Die Geburten unserer Kinder sind einzigartig, sie prägen uns unser Leben lang. Doch wir sind durch vieles geprägt. Etwas, was sicherlich ebenfalls die allermeisten von uns prägt, ist die Leistungsgesellschaft, in der wir leben.

Es geht immer weiter, höher, besser. Wir sind tough, eigenständig, selbstbewusst und nicht auf Hilfe angewiesen. Wir leben mit dem Gedanken, dass wir alles schaffen können. Wenn wir uns nur genug anstrengen. Wenn wir es nur genug wollen.

Aufnahme eines Siegerpodestes auf einem Sportplatz.

Das hört nicht im Beruf auf. Das betrifft genauso das Privatleben. Und ja, teilweise erlebe ich genauso, dass Geburten ein Teil davon sind. Ich nehme immer wieder wahr, dass hier ebenfalls ein Leistungsdruck, ein Wettbewerb entsteht.

Frauen übertreffen sich in ihren Berichten. Ob diese wirklich so wahr sind und Geburt wirklich so verlaufen sind, wie erzählt wird, ist eine andere Sache. Doch auch hier geht es darum, sich zu überbieten.

In der einen Richtung geht es darum, wer die schmerzhafteste, schlimmste und vielleicht sogar traumatischste Erfahrung gemacht hat. Wer bekommt den Orden dafür, das größte Leid ausgehalten zu haben. Manchmal klingt es fast so, überspitzt gesagt.

Auf der anderen Seite scheint es diesen Wettstreit ebenfalls zu geben: Wer konnte ohne Schmerzmedikamente, ohne Interventionen, zu Hause, vielleicht sogar ohne Hebamme ganz alleine gebären? Wer hatte keinerlei Schmerzen und eine entspannte, unkomplizierte Geburt, von der wir alle träumen?

Manchmal klingt es fast so, als müssten wir es wirklich nur genug wollen. Uns gut genug vorbereiten. Bloß nicht zu verkopft sein, sich vollkommen hingeben und der eigenen Intuition vertrauen. Dann wird sicher alles gut. Dann brauchen wir keine Hilfe, keine Schmerzmittel und keine Unterstützung oder Begleitung.

Aufnahme einer 100m-Laufbahn für zwei Läufer.

Schließlich liegt es in uns. Es ist unsere Natur, zu gebären. Wenn wir nur genug loslassen, wissen wir, wie wir uns bewegen müssen, wissen wir was uns gut tut.

Doch ich glaube nicht darum. Ich glaube nicht daran, dass die einzig perfekte Geburt, die ohne Schmerzen und ohne Hebamme zu Hause ist. Es gibt überhaupt keine perfekten Geburten. Geburt ist so unglaublich individuell.

Es kommt doch vielmehr auf unser eigenes Erleben an. Fast hätte ich Überleben geschrieben, doch genau das ist es nicht. Und es ist eben auch nicht dieses perfekte Scheinbild. Es gibt so viel mehr dazwischen.

Jede Geburt kann von außen betrachtet schön oder grausam sein. Und dann im inneren Erleben von uns als Gebärenden doch wieder ganz anders wahrgenommen werden.

Ein Notkaiserschnitt mit Vollnarkose kann traumatisierend sein, muss es aber nicht. Eine Geburt mit vielen Interventionen kann schlimm und belastend wahrgenommen werden, muss es aber nicht. Eine Geburt alleine kann wundervoll wahrgenommen werden, muss es aber nicht.

Es kommt auf so viele Faktoren an. Genauso lässt sich nicht pauschal sagen, dass eine Geburt zu Hause der beste Geburtsort für alle Frauen ist. Es ist so inviduell. Und es ist so wichtig, dass wir uns nicht vergleichen.

Es ist wichtig, dass wir ehrlich sind mit uns selbst. Dass wir ehrlich sind, wenn wir über unsere Geburten sprechen. Durch diese vermeintlich perfekten Geburten, wie sie in den sozialen Medien teilweise beschrieben werden, entsteht meiner Meinung nach ein unglaublicher Druck.

Doch es geht nicht nur um unsere Erzählungen, es geht genauso um Wertschätzung. Um Wertschätzung für eine Entscheidung zu einem Kaiserschnitt, wenn die Kraft fehlte. Um Wertschätzung gegenüber allen Frauen, die lieber in einer Klinik gebären möchten. Um Wertschätzung allen gegenüber. Egal, wie die Geburt verlaufen ist.

Detailaufnahme von Händen, welche sich in der Mitte treffen.

Bei meinem ersten Kind hatte ich einen vorzeiten Blasensprung, wir gingen in die Klinik und es tat sich bei beginnenden Kontraktionen nichts. Der Muttermund öffnete sich nicht und irgendwann entschieden wir uns für einen Kaiserschnitt. Das ist die Kurzfassung.

Jahrlang habe ich mir Vorwürfe gemacht, allen Beteiligten Vorwürfe gemacht. Ich wollte es bei meinem zweiten Kind besser machen, bereitete mich penibel vor, las viele Bücher und plante eine Hausgeburt. Denn davon hatte ich nur wundervolle Berichte gehört.

Ja, ich empfand diese Geburt als wundervoll und besonders als heilsam. Doch mir wurde eben irgendwann klar, dass ich bei meiner ersten Geburt nicht versagt hatte. Dass ich deswegen keine schlechtere Mutter für unser erstes Kind war und bin.

Es war vielmehr der Druck, der Leistungsdruck, unserer Gesellschaft, der beim Gebären nicht aufhört.

Nun habe ich drei Kinder geboren. Unser drittes Kind kam ebenfalls zu Hause zu Welt. Ich war angestrengt, aber meistens entspannt. Ich war gut vorbereitet und hoffte insgeheim, dass ich es diesmal alleine schaffen würde.

Und doch wollte ich ab einem gewissen Punkt meine Hebamme dabei haben. Ich wollte und brauchte Unterstützung. Ich brauchte jemanden, der (oder eher die in diesem Fall), die Situation fachlich einschätzen kann und mir sagen kann, dass wirklich alles gut ist und mir sagen kann, an welchem Punkt wir gerade stehen.

Nein, vielleicht bin ich keine Meisterin der Geburt, wie es manche Frauen sind (oder wie sie es berichten) und wie ein Buchtitel mich weißmachen ließ. Ich konnte nicht ganz alleine gebären. Ich wollte es nicht. Ich brauchte Unterstützung. Und das ist okay.

Vielleicht sind wir aber vielmehr alle Meisterinnen der Geburt. Jede Geburt bringt uns an unsere Grenzen, physisch und psychisch, manchmal auch darüber hinaus.

Es geht doch gar nicht um einen Wettbewerb. Es geht um uns und unsere Kinder, um unser Erleben, unsere Erfahrungen.

Ich wünsche mir, dass wir uns mehr unterstützen. Dass wir uns wertschätzen und für uns da sind. Dass wir uns gegenseitig zuhören. Dass wir Geburt nicht als Leistung sehen, die wir mit anderen vergleichen müssen.

Ich wünsche mir, dass wir uns selbst und andere nicht verurteilen für egal welche Entscheidungen. Und wenn die Entscheidung ist, keine Kinder zu bekommen, auch dann nicht.

Gestern war Muttertag. Ich feiere diesen Tag nicht, er ist mir nicht wichtig. Nicht in seiner eigentlichen Bedeutung. Aber vielleicht kann er ein Anlass sein für mehr Wertschätzung. Für uns selbst und für andere.

Was denkst du dazu? Wie hast du deine Geburten erlebt? Wie war es für dich, als du zum ersten Mal Mutter wurdest? Hast du dich unter Druck gesetzt gefühlt durch Berichte anderer?

Ich freue mich auf deine Gedanken dazu.

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