Kann dein Kind auch manchmal wütend werden?

Ganz gewiss – ich behaupte sogar: Das kann jeder Mensch, egal ob Groß oder Klein.

Wutanfälle gehören dazu und können für dich als Elternteil sehr stressig und herausfordernd sein. In diesem Blogartikel möchte ich dir helfen, die Gefühlswelt deines Kindes besser zu verstehen und zeigen, wie du angemessen auf einen Wutanfall reagieren kannst.

Skizze einer ruhigen Mama mit scheinbar wütendem Kind im Hintergund.

Wut tut gut?!

Kinder stecken noch tief in ihrer Entwicklung und lernen viel aus Erfahrungen, Erleben, Verhaltensweisen, Lernen am Modell uvm…

Für dich als Elternteil ist es wichtig, die Gefühlswelt deines Kindes einfühlsam zu begleiten.

Denn dein Kind erlebt in seinem Alltag sehr viele Frustrationen, die zur Wut führen können. Für dich als erwachsene Person mögen die Wutauslöser klein und nichtig sein, für dein Kind sind sie jedoch sehr bedeutungsvoll.

Wenn dein Kind wütend ist, hat es noch nicht die notwendige Gehirnreife, um mit dieser überwältigenden Emotion angemessen umzugehen. Das starke Gefühl nimmt dein Kind voll und ganz ein. Somit hat dein Kind noch gar nicht die Fähigkeit, sich selbst zu regulieren und braucht dich als Ruhepol.

Wird die Wut deines Kindes als ein schlechtes und nicht erwünschtes Gefühl wahrgenommen und daher eher verdrängt, kann sie schnell zu noch mehr Aggression oder zu Handlungen führen, die du als Mama/ Papa bereuen wirst (z. B. etwas geht in die Brüche, jemand verletzt sich, etc…).

Es ist daher unfassbar wichtig, dass du dich als Mama oder Papa auf die Bedürfnisse des Kindes einlässt und das Ausdrücken des Gefühls der Wut nicht tabuisiert. Es gilt hier: Dein Kind soll auf eine gesunde Art und Weise seine Wut oder auch seinen Zorn ausdrücken lernen.

Woher kommt die Wut?

Kinder können aus verschiedenen Gründen wütend werden. Oftmals ist es ein Ausdruck von Frustration, wenn sie in ihrem Handeln eingeschränkt werden oder ihre Bedürfnisse nicht erfüllt werden.

Kennst du die Auslöser der Wut deines Kindes? Folgende Herausforderungen können zur Wut deines Kindes führen:

  • Übermüdung
  • Hunger
  • Emotionale Belastungen wie Trauer oder Angst
  • Gesundheitliche Beeinträchtigung / Schmerzen
  • Überforderung in Lebensbereich XY, die das Kind nicht bewältigen kann
  • Mangelnde Aufmerksamkeit, Nähe oder Zeit für das Kind
  • Frustration durch unerfüllte Bedürfnisse oder Wünsche
  • Konflikte mit Geschwistern / anderen Familienmitgliedern
  • Veränderungen in der Familie wie z. B. Umzug, Trennung, Tod,…
  • Stress / Druck in der Kita oder Schule, z. B. Leistungsdruck, Konflikte, Mobbing,…
  • Persönliche Eigenschaften wie temperamentvolles oder impulsives Verhalten
  • Unklare Regeln oder Erwartungen in der Familie (z. B. fehlende Routinen)
  • Spannungen zwischen den Eltern

Diese Liste der Auslöser kann unendlich fortgesetzt werden. Oftmals trifft nicht nur ein Punkt zu, sondern die Summe schafft es, den Schalter für einen Wutanfall zu drücken. Die möglichen Auslöser können sich lange im Verborgenen verstecken, wenn das Kind z. B. andauernde Gefühle von Unbehagen weder einordnen noch verbal äußern kann (wenn es noch nicht gut sprechen kann oder auch etwas ruhiger ist und nicht viel sprechen möchte).

Wie du die Auslöser herausfinden kannst? Hier einige Vorgehensweisen:

  • Spreche mit deinem Kind in einem geschützten Rahmen. Bitte nicht an jenen Orten, Situationen, wo es immer wieder zu Wutanfällen kommt. Geht z. B. im Wald spazieren und reflektiert gemeinsam einen vergangenen Wutausbruch.
  • Lass dein Kind aufschreiben, aufmalen, was es denn wütend macht.
  • Nutze Emotionskarten oder Bilderbücher und vergleicht das Gefühl Wut mit anderen Emotionen, wie z. B. Trauer, Angst, Freude, etc.
  • Spreche mit Kontaktpersonen, die möglicherweise auch die Wut deines Kindes erleben z. B. Lehrer/in, Erzieher/in, Nachbarin/in, Großeltern, Tante/Onkel, etc.
  • Spiele mit deinem Kind z.B. mit Stofftieren. Dabei kannst du Wutanfälle liebevoll darstellen. Wenn dein Kind mitspielt, lass deinem Kind die Führung und stelle nur hin und wieder Fragen, die ev die Realität spiegeln könnten.

Nachdem du weißt, wie sich die Wut in deinem Kind anstaut und dann auch ausbricht, kannst du nun auch an der Situation des Wutanfalls selbst feilen und dein Kind friedvoll unterstützen.

Skizze eines wütenden Kindes mit einem Erwachsenen im Hintergrund.

Ich habe dir nun einige Tipps zusammengefasst, wie du die Wut deines Kindes begleitest. Diese helfen dir dabei, gemeinsam mit deinem Kind seine Wut zu kanalisieren und angemessen auszudrücken. So wird dein Familienalltag bestimmt entspannter und harmonischer:

1. Gelassenheit

Es ist leichter gesagt als getan, aber es ist wichtig, als Elternteil ruhig zu bleiben, auch wenn das Kind wütend wird. Atme tief durch und versuche, dich zu beruhigen, bevor du überhaupt reagierst.

2. Nimm den Wutanfall nicht persönlich

Oft ist es der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Streitest du jetzt wegen diesem Tropfen, werdet ihr keine Lösung finden. Versuche dich im Wutanfall lediglich darauf zu fokussieren, dass diese starke Emotion wieder vorbeigeht.

3. Verständnis

Gib deinem Kind das Gefühl, dass du verstehst, warum es wütend ist. Lasse es ausreden und zeige Interesse an seinen Gefühlen, z. B. durch Augenkontakt, Kopf nicken, mitfühlender Mimik, etc. Ermutige es zur Kommunikation, indem du auch die Bereitschaft für ein Gespräch zeigst.

4. Grenzen setzen

Während du deinem Kind erlaubst, seine Wut auszudrücken, ist es wichtig, auch klar deine persönlichen Grenzen zu setzen. Z. B. kannst du sagen: "Ich verstehe, dass du wütend bist, ich sorge dafür, dass alle heile bleiben. Komm ich halte dir das Kissen, da darfst du draufschlagen."

5. Weniger ist mehr

Versuche deinen Redeschwall einzudämmen. Denn dein Kind kann in so einer starken Emotion gar nicht viel aufnehmen. Für rationale und logische Erklärungen ist dein Kind nicht empfangsbereit.

Um Wutanfälle vorzubeugen, kannst du deinem Kind ausreichend Ausgleich anbieten. Stelle dir die Frage, welchen Ausgleich dein Kind zu den alltäglichen Anforderungen, wie Kindergarten/Schule, Einhalten der Werte und Normen der Gesellschaft (z. B. Essensregeln, Hygienevorschriften, etc…) hat. Überlege dir, wo das Kind mit- und selbstbestimmt handeln darf und wo überall ist dein Kind fremdbestimmt. Wie viel kooperiert dein Kind bereits im Alltag und muss seine eigenen Bedürfnisse unterdrücken.

Stelle dir am besten diese Fragen und beziehe die Interessen und Stärken deines Kindes mit ein:

  • An welche Vorschriften/Abmachungen/Regeln muss sich mein Kind täglich halten? Das kann vom Zähneputzen bis hin zur Hausaufgabe und anderen „Verpflichtungen“ gehen.
  • Gibt es einen Ausgleich dafür?
  • Bietet dieser Ausgleich eine Form von körperlicher Bewegung an?
  • Kann dein Kind mit Hilfe dieses Ausgleichs von den alltäglichen Forderungen wirklich abschalten?
  • Wäre auch eine andere Form von Ausgleich möglich?
  • Wo kann ich meinem Kind mehr Gestaltungsmöglichkeiten einräumen?
  • In welchen Bereichen kann ich “Neins” in “Jas” umwandeln?

Zu guter Letzt beachte auch, dass dein Kind viel von dir lernen kann. Als Elternteil solltest du aufzeigen, wie du Konflikte auf konstruktive Weise löst. Das klappt natürlich auch nicht immer, denn NIEMAND ist PERFEKT! Wenn du selbst wütend geworden bist, entschuldige dich bei deinem Kind und zeige, dass du nun auch viel zu laut geworden bist. Gestehe deinen unkontrollierten Ausbruch deiner Wut ein. Sage z. B. „Es tut mir leid, jetzt bin ich auch ganz schön laut geworden. Das wollte ich nicht. Wenn ich das nächste Mal wütend bin, dann schnappe ich zuerst einmal nach Luft. Ich lerne auch gerade viel, wie ich mit meiner Wut umgehe.“

Sollte es jeden Tag und mehrmals auf eine längere Zeitspanne eskalieren:

Erkenne, wann es Zeit ist, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wenn deine oder die Wut deines Kindes außer Kontrolle gerät und du dich nur noch überfordert fühlst, dann scheue dich nicht, Unterstützung zu holen.

Zusammenfassung

Sei unbedingt auch großzügig zu dir selbst und auch wenn du als Elternteil Fehler machst. Es geht darum, wie du mit deinem Fehler umgehst – und zwar offen und ehrlich. Sei dir bewusst, dass das offene Sprechen über deine Wut auch deinem Kind viel mehr Möglichkeiten bietet.

Denn dadurch merkt dein Kind, dass alle Gefühle in Ordnung und willkommen sind. Dadurch wird seine Reife, Selbstkontrolle und Körperwahrnehmung gestärkt, was in den verschiedenen Entwicklungsphasen enorm wichtig ist – ganz unabhängig vom Alter deines Kindes.

Lerne aus deinen Fehlern und übernehme die Verantwortung für deinen Gefühlsausbruch. Dadurch kannst du vieles wieder gut machen und eure Beziehung “reparieren”.

Bildquellen

Das Titelbild stammt von unsplash.com.

Die Bilder im Artikel wurden mir von der Verfasserin Birgit Gattringer von starkekids.com zur Verfügung gestellt.