In immer mehr Städten wird die sogenannte Mütterpflege angeboten. Doch was das überhaupt ist und wer so etwas anbietet, darum geht es unter anderem in dem folgenden Interview mit Julia Hausmann, einer angehenden Mütterpflegerin aus Oldenburg.

Herzlich Willkommen, liebe Julia! Ich freue mich sehr, dass ich dir hier einige Fragen zu dir und deiner Arbeit stellen darf.

Vielleicht magst du dich zu Beginn erst einmal kurz vorstellen? Wer bist du?

Hallo liebe Natalie, ganz lieben Dank für deine Einladung zu diesem Interview!

Ich heiße Julia, bin 40 Jahre alt und lebe mit meinem Mann und unseren gepatchworkten 7 Kindern im Haareneschviertel in Oldenburg.

Foto von Mütterpflegerin Julia.

Wenn du dich in drei Worten beschreiben müsstest, welche wären das und warum?

Unterwegs, chaotisch und frei.

Unterwegs im Sinne von auf dem Weg des Lebens unterwegs, immer in Entwicklung mit dem Wunsch Neues zu erleben, sich selbst zu finden und zu erfahren. Chaotisch, weil ich zwar viel schaffe, aber meist ohne jeglichen Plan, chaotisch bedeutet dabei für mich nicht, zerstreut zu sein, sondern sich dem Leben in jeder Minute zu stellen, ohne vorher festzulegen, wie es sein sollte. Frei, weil ich seit ich denken kann, alles hinterfrage um meinen und unseren ganz eigenen Weg zu finden.

Gerade befindest du dich in der Ausbildung zur Mütterpflegerin. Was ist Mütterpflege überhaupt? Welche Tätigkeiten übernimmst du?

In früheren Zeiten waren oft die Oma oder Tanten mit im Haus, die Nachbarschaft enger miteinander verbunden als heute, sodass die Frauen im Wochenbett bestens versorgt waren. Das fällt heute oft weg und Mütter sind oft auf sich allein gestellt in der Zeit nach der Geburt.

Genau da möchte ich als Mütterpflegerin einspringen und besonders die Mutter, aber auch die gesamte Familie, in der Schwangerschaft und im Wochenbett begleiten. Ganz praktisch im Haushalt, aber auch mit gutem Hintergrundwissen und Tipps zum Beispiel zum Thema Stillen, Bindung oder Ernährung. Und ich komme mit viel Zeit und einem offenen Ohr für alle Fragen, die in dieser aufregenden Zeit aufkommen.

Aber auch bei späterer Erkrankung der Mutter (bis die Kinder 12 Jahre alt sind) kann ich als Mütterpflegerin in der Familie arbeiten (auch hier gibt es einen gesetzlichen Anspruch auf eine Haushaltshilfe).

Aufnahme einer Frau, welche mit einem Kind mit Instrumenten spielt.

Wie ist es mit den Kosten einer Mütterpflegerin? Müssen die Familien die Kosten selbst tragen oder übernehmen die Krankenkassen die vollen Kosten?

Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen bei ärztlicher Indikation die Kosten einer Haushaltshilfe (als die wir zur Zeit betrachtet werden) teilweise ganz, teils muss zugezahlt werden, da arbeiten die Krankenkassen sehr unterschiedlich. Privat Versicherte sollten sich am besten bei ihrer Versicherung direkt informieren.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Krankenkasse die Kosten nur übernimmt, wenn niemand anderes den Haushalt weiterführen kann. Ist also zum Beispiel der Papa direkt ab Geburt in Elternzeit, muss die Mütterpflege selbst gezahlt werden.

Lernst du Familien dann bereits in der Schwangerschaft kennen und bist zum Geburtszeitraum ähnlich wie Hebammen in einer Art Rufbereitschaft, sodass du danach jederzeit starten könntest oder wie kann ich mir das vorstellen?

Wenn eine Familie mich als Mütterpflegerin braucht, arbeite ich auch schon in der Schwangerschaft dort und kann dann über die Geburt hinaus weiter arbeiten solange die Krankenkasse bewilligt beziehungsweise die Familie mich zahlt. Ein Kennenlernen vor dem ersten Einsatz ist für beide Seiten optimal, bei einem Notkaiserschnitt zum Beispiel starte ich aber auch gerne direkt.

Wie vereinbarst du deine Arbeit mit deiner Familie? Hast du noch eine andere Tätigkeit oder machst du die Mütterpflege hauptberuflich?

Ich starte ganz optimistisch quasi hauptberuflich. Quasi, weil ich vorerst nur am Vormittag arbeiten möchte, um für meine Jüngsten noch die Zeit des Kindergartenalters und der frühen Grundschule genießen zu können.

Spannend, dass du auch bereits in der Schwangerschaft oder im späteren Kindesalter als Mütterpflegerin tätig sein kannst. Das kannte ich bisher nur von der klassischen Haushaltshilfe.

Kann eigentlich jeder Mütterpflege anbieten oder brauche ich dafür eine spezielle Ausbildung, so wie du sie gerade machst? Was lernst du in deiner Ausbildung zur Mütterpflegerin und wo machst du diese?

Zur Zeit ist die Bezeichnung Mütterpflegerin noch nicht geschützt, es hat sich aber ganz aktuell ein Dachverband gegründet, dem auch ich nach meiner abschließenden Praxiswoche im November beitreten werde. Dieser Verband sichert allen Müttern, die eine Mütterpflegerin in Anspruch nehmen wollen, gewisse Standards zu, so dass die Ausbilung sehr tranparent wird.

Ich mache meine Ausbildung beim Institut Weckmann, dessen Leitung aus den Niederlanden kommt, wo Mütterpflege eine Selbstverständlichkeit ist. Wir erlangen breites Wissen zum Thema Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett, Entwicklung des Säuglings in den ersten Tagen, Ernährung uvm..

Detailaufnahme zweier Hände, welche einen Rücken massieren.

Gibt es Mütterpflegerinnen schon lange, beziehungsweise woher kommt dieses Angebot? Mir ist der Begriff erst in den letzten Jahren immer mal wieder begegnet, bei uns in der Region aber tatsächlich so gut wie gar nicht.

Bis vor Kurzem noch haben Frauen, die in der Klinik entbunden haben, dort ihr Frühwochenbett verbracht, bis zu 10 Tagen. Heute werden viele Frauen (oft auch auf eigenen Wunsch) bereits nach 2 Tagen wieder nach Hause entlassen.

Fehlt es dort an Unterstützung ist das Wochenbett dann aber oft kein WochenBETT und die Frauen leiden unter Stillproblemen, Stress und Rückbildungsschwierigkeiten. Dann ist eine gute Nachsorge wichtig. Und über die medizinische Versorgung durch die Hebamme hinaus, kann dann eben eine Mütterpflegerin wunderbare Dienste leisten.

Aufnahme einer Frau, welche ein in ein Tuch gewickeltes Baby hält.

Sie hat Zeit, ein leckeres und nahrhaftes Mittagessen für die gesamte Familie zu kochen, das Bad sauber zu halten, aber eben auch besonders viel Zeit für die Mama. Von Gesprächen darüber wie die Geburt verlaufen ist, über eine wohltuende Fußmassage bis hin zu ersten Rückbildungsübungen biete ich an, was der Mutter gut tut.

Ich denke der Beruf der Mütterpflegerin hat sich entwickelt, da es im Haushalt oft an Unterstützung fehlt, bedingt durch die Entwicklung hin zu Haushalten, in denen Mutter und Vater „allein“ mit ihren Kindern leben, also keine erfahrene Oma oder Tante da ist und auch die nachbarschaftliche Versorgung keine Selbstverständlichkeit mehr ist.

Planst du deine Selbstständigkeit irgendwann noch zu erweitern? Wenn ja, welche Bereiche kannst du dir vorstellen?

Ich möchte mich sehr gerne noch im Bereich der gewaltfreien Kommunikation weiterbilden, um so für die gesamte Familie noch besser da sein zu können und die Zeit mit dem ersten Baby oder einem weiteren Familienmitglied noch achtsamer begleiten zu können.

Zur Zeit nehme ich an einer Fortbildung zur Verarbeitung traumatischer Geburtserlebnisse teil, ebenfalls ein Bereich, der mir sehr am Herzen liegt.

Und zum Schluss: Wie kannst du gefunden werden? Möchtest du noch etwas ergänzen?

Ihr findet mich auf Instagram unter mama_cura, eine website ist noch in Planung.

Ich möchte gern noch einmal darauf hinweisen, dass wirklich viele Krankenkasse unter den oben beschriebenen Bedingungen (ärztliche Indikation UND niemand der den Haushalt weiterführen kann) eine Haushaltshilfe bewilligen. Noch werden wir als Mütterpflegerinnen als solche abgerechnet.

Unser Dachverband setzt sich nun aber dafür ein, dass wir auch wirklich in dem gesehen und bezahlt werden, was wir wirklich sind und tun: eine wunderbare Unterstützung für Mutter und Familie, weit über die Spülmaschine hinaus.

Teilaufnahme einer Küche mit dem Abwasch.

Im Englischen gibt es dafür den treffenden Ausdruck „mothering the mother“. Und genau darum geht es. Mein Ziel ist es dich als Mama so zu umsorgen dass du eine entspannte Schwangerschaft und ein gesundes, wohltuendes Wochenbett erleben kannst!

Vielen lieben Dank für das spannende und interessante Interview, Julia. Ich konnte einiges daraus mitnehmen und mir ist wieder klar geworden, was für ein bereicherndes, aber noch relativ unbekanntes, Angebot die Mütterpflege ist.

Bildquellen

Das Titelbild, sowie das Foto von Julia selbst wurden mir von ihr für diesen Artikel zur Verfügung gestellt.