Wie ich bereits schon einmal in einem älteren Artikel geschrieben habe, zählen wir Menschen biologisch gesehen weder zu den Nesthockern, noch zu den Nestflüchtern, sondern zu den "Traglingen". Das liegt u.a. daran, dass wir physiologisch, also körperlich, gesehen zu früh auf die Welt kommen. Warum das so ist und welche Auswirkungen das hat, möchte ich euch in diesem Artikel kurz beschreiben.

Warum kommen wir "zu früh" auf die Welt?

Es gibt die These, dass wir als physiologische Frühgeburten geboren werden, weil sich das Becken verändern musste, als sich die Affen aufzurichten begannen und nur noch aufrecht gingen. Das Becken musste schmaler werden, damit der aufrechte Gang auf längere Zeit möglich war. Gleichzeitig machte eine andere Entwicklung es notwendig, dass wir früher geboren wurden: Unsere Gehirne und damit eben auch unsere Köpfe wurden immer größer. Dass wir Menschen immer intelligenter wurden, hatte also einen entscheidenden Nachteil gleich zu Beginn unseres Lebens, den großen Kopf. In Kombination mit dem nun kleineren Becken wurde dadurch eine frühere Geburt notwendig, die dann auch noch verhältnismäßig lange dauert und anstrengend für Mutter und Kind ist.

Eine Kinderhand wird von der Mutterhand gehalten.

Wie viel früher als notwendig wir geboren werden, kann niemand genau sagen. Die Einschätzungen schwanken zwischen 3 und 9 Monaten. Einige bezeichnen daher auch die erste Zeit nach der Geburt als das vierte Trimester. Denn für die Entwicklung ist diese Zeit wirklich entscheidend. Wir Menschen sind außerdem verhältnismäßig lange auf andere Menschen angewiesen.

Der Begriff physiologische Frühgeburt wurde übrigens vom Zoologen Adolf Portmann geprägt.

Was hat die physiologische Frühgeburt für Auswirkungen?

Um diese Frage zu beantworten, möchte ich noch eine andere Frage stellen: Was macht uns Menschen aus? Was sind typische Verhaltensweisen, die uns ausmachen und auch von anderen Tierarten abgrenzen? Ich wage zu behaupten, dass nahezu alle dieser Merkmale noch nicht bei Geburt gezeigt werden. Die Entwicklung dazu ist jedoch als inneres Programm bereits angelegt, sodass bspw. alle Babys früher oder später laufen lernen, wenn keine ernsthafte Erkrankung vorliegt oder extrem einschränkende Umweltbedingungen vorliegen.

Um zur Ausgangsfrage zurückzukommen, beschreiben ein aufrechter Gang, die Verständigung mittels Sprache, einsichtiges Denken und vernunftgeprägtes Handeln einige Grundmerkmale eines Menschen. Doch diese müssen sich eben erst entwickeln, weshalb unsere Kinder ziemlich lange auf uns angewiesen sind.

Wie ich oben schon beschrieben habe, wird die erste Zeit nach der Geburt manchmal auch als 4. Trimester bezeichnet. Kein Wunder also, dass viele Babys besonders in dieser Zeit vom Tragen profitieren und die Körpernähe häufig regelrecht einfordern. Genau wie im Bauch, haben die Babys auch hier das Gefühl der Enge, gleichzeitig spüren sie den Körper, riechen die Mutter oder den Vater und hören den vertrauten Herzschlag. Sie nehmen die gleichen Bewegungen wahr, die sie auch im Bauch schon gespürt haben.

Allerdings bringen unsere kleinen Babys auch schon einiges mit. Sie sind sehr viel kompetenter als wir manchmal denken. Natürlich unterscheiden sich diese Kompetenzen von denen eines Erwachsenen, jedoch sind es die Kompetenzen, die für den momentanen Entwicklungsschritt notwendig sind. Unsere Kinder sind nämlich keine unperfekten, unvollständigen Erwachsenen, sondern eben die perfekten Kinder.

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