Körperkontakt ist nicht nur schön, sondern auch gesund und macht glücklich. Er beeinflusst die Entwicklung unserer Babys und ist somit wichtig für das Heranwachsen gesunder und resilienter Menschen. Warum das so ist und wie sich die Nähe auf unser Wohlbefinden auswirkt, beschreibe ich in diesem Artikel.

Körperkontakt wurde bisher unterschätzt

Die Bedeutung und Notwendigkeit von Körperkontakt wird häufig unterschätzt, wie die Überschrift bereits verrät. Besonders für Babys ist Körperkontakt tatsächlich lebensnotwendig und wichtig für die spätere Gesundheit. Dies konnte bereits in mehreren Studien und Untersuchungen nachgewiesen werden. Die Ergebnisse kannst du bspw. in einem Fachartikel des Deutschlandfunk und von Geo nachlesen.

Eine Mutter hält ihr Baby im Arm.

Bei Neugeborenen wird dem Bonding, also dem Körperkontakt direkt nach der Geburt, ein besonders hoher Stellenwert eingeräumt. Darauf möchte ich später noch genauer eingehen.

Ein Baby wird von seiner Mutter massiert.

Durch die Bedeutung des Hautkontakts kommt auch der Babymassage eine besondere Rolle zu. Dadurch kann neben den bereits genannten Faktoren auch die Bindung zwischen Eltern und Baby unterstützt werden, ebenso wie die (nonverbale) Kommunikation zwischen ihnen. Bei der Massage geht es daher mehr um die Berührung an sich, als um das gezielte Anwenden bestimmter Teckniken.

Jedoch nicht nur für Babys ist Körperkontakt wichtig, sondern auch für größere Kinder und ebenso Erwachsene. Erstaunlich ist dabei, dass bei der Erforschung der menschlichen Sinne der Tastsinn in der Wissenschaft bisher eher wenig Beachtung bekam, dies änderte sich erst zunehmend in den letzten Jahren.

Wenig erstaunlich hingegen ist, dass die meisten Menschen Massagen und Berührungen sehr genießen. Wenn ich dies aus dem Kontext der Bedeutung von Körperkontakt betrachte, wird deutlich, dass dahinter viel mehr als nur rein sexuelle Aspekte stecken.

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Der Tastsinn ist bereits vorgeburtlich ausgeprägt

Die menschliche Entwicklung im Bauch, fachlich gesagt, die pränatale Entwicklung, ist noch nicht vollständig. Menschliche Babys werden als physiologische Frühgeburten geboren, weil sie eben noch nicht "fertig" sind. Mehr über dieses Thema kannst du in meinem Artikel "Menschenkinder - physiologische Frühgeburten" nachlesen.

So reifen die meisten Sinne wie bspw. der Seh- und der Hörsinn nachgeburtlich noch weiter und sind erst einige Wochen nach der Geburt ausgereift. Der Tastsinn ist bei der Geburt hingegen schon verhältnismäßig gut entwickelt.

Eine schwangere Frau wird von ihrem Partner umarmt. Er steht hinter ihr und hält ihren Bauch.

Dieser reift bereits in der Gebärmutter, weil jede Positionsänderung des Embryos im Bauch wie ein Streicheln in Bezug auf den Tastsinn wirkt. Diese Reize tragen zur Entwicklung dieses Sinnes bei.

Zwillinge liegen nebeneinander und berühren sich. Sie tragen gestreifte Mützen.

Neueste Forschungen deuten außerdem darauf hin, dass sich Zwillinge bereits ungefähr ab der 14. Schwangerschaftswoche absichtlich berühren, wie du in dieser Zusammenfassung einer Studie nachlesen kannst.

Besonders im Mund ist der Tastsinn bei Babys sehr gut entwickelt, während die Entwicklung in anderen Körperbereichen noch weiter geht. Dies erklärt auch, weshalb unsere Kinder zunächst einmal alles in den Mund nehmen; sie versuchen schlicht die Oberfläche, die Festigkeit, die Form, etc. zu begreifen. Dabei spielen mehrere Sinne zusammen.

Erst nach einiger Zeit bilden sich auch die Tastrezeptoren an den Fingerspitzen und in anderen Körperregionen noch weiter aus. Dann gelingt es Kindern auch zunehmend besser Gegenstände nicht mehr nur mit dem Mund zu be-greifen.

Körperkontakt hat psycho-emotionale und organische Auswirkungen auf die Gesundheit von Babys

Nachweislich beruhigen sich Babys im Körperkontakt sehr viel schneller, sie schreien weniger. Durch die äußere Gefühlsregulation gelingt schließlich auch zunehmend eine innere Gefühlsregulation.

Eine Mutter umarmt ihr in ein Handtuch gewickeltes Baby.

Babys genießen daher sehr die Nähe beim Stillen oder Tragen, wobei dabei auch noch andere Bedürfnisse befriedigt werden. Insgesamt kann gesagt werden, dass bei Körperkontakt das Hormon Oxytocin ausgeschüttet, welches die Bindung verstärkt und ein wohliges Gefühl auslöst. Das Bindungshormon Oxytocin hat vielfältige Auswirkungen im gesamten Körper und ist daher von großer Bedeutung.

Neben der in Ansätzen beschriebenen psychischen Wirkung von Körperkontakt, hat er auch auf organischer Ebene verschiedene Auswirkungen. Säuglinge reagieren im Körperkontakt bspw. mit einer stabileren Atmung, einer angemessenen Regulation des Blutzuckerspiegels und auch der Körpertemperatur.

Diese Effekte werden auf Frühchenstationen medizinisch genutzt, wenn Eltern mit ihren Babys känguruhen. Zu dem Ergebnis, dass die Känguru-Methode eine kostengünstige aber wirkungsvolle Intervention in Kliniken ist, kam diese bereits 2016 von der American Academy of Pediatrics veröffentlichte Metastudie.

Gerade für Länder mit einer schlechten medizinischen Versorgung sind die Ergebnisse dieser Untersuchungen besonders wichtig, weil häufig die ansonsten notwendigen technischen Geräte wie Inkubatoren nicht ausreichend vorhanden sind. So konnte die Säuglingssterblichkeit weltweit gesenkt werden.

Außerdem kann man heute sagen, dass Babys, die viel Körperkontakt erleben, eine höhere Stressresilienz entwickeln, wie ich in diesem Fachartikel nachlesen kann. Stressresilienz ist die Widerstandsfähigkeit gegen Stress. Je höher die Resilienz eines Menschen, desto seltener erleidet er psychische oder körperliche pathologische Symptome als Folge der Belastung.

Mehr zu den Auswirkungen von Körperkontakt auf uns Erwachsene kannst du im Buch Human Touch von Dr. Rebecca Böhme (rebeccaboehme.com) nachlesen. Neuropsychologin Rebecca Böhme forscht übrigens zur Zeit am Zentrum für soziale und affektive Neurowissenschaften in Linköping, Schweden.

Wie funktioniert unser Tastsinn?

Die Oberflächensensibilität, also die Wahrnehmung von Berührungen, geschieht unter Beteiligung verschiedener Rezeptoren: Schmerz, Temperatur und Vibration.

Zusätzlich gibt es C-taktile Fasern, welche sanfte Berührungen wie Streicheln wahrnehmen und auf einer Direktverbindung an das zentrale Nervensystem leiten, wie ich in einem Fachartikel der Seite www.wissenschaft.de nachlesen kann.

Gerade die C-taktilen Fasern, die eher eine wissenschaftliche Neuentdeckung sind, reagieren auf sanfte und langsame Körperberührungen am sensibelsten. Sie bedecken in einem netzartigen Geflecht aus Nervenfasern fast unsere gesamte Hautoberfläche. Nur an den Handflächen und Füßen findet man keine, aber gerade da mögen wir am wenigsten gestreichelt werden.

Einfluss von Körperkontakt und Berührung auf die Selbstwahrnehmung von Kleinkindern

Körperkontakt und Berührung haben jedoch nicht nur Auswirkungen auf die inneren Funktionen eines Menschen. Durch Berührung erschließen Kinder die Beziehung zwischen sich und ihrer Umwelt.

Kinder lernen durch ihren Tastsinn, dass sie mit ihren Berührungen die Welt verändern können und von Berührungen ihrer Mitmenschen oder ihrer Umwelt ebenfalls verändert werden. Sie bemerken bspw. wie Mama reagiert, wenn ich sie anfasse, wenn ich sie streichel oder drücke. Gleichzeitig bemerken sie auch die Auswirkungen an sich selbst, wenn sie selbst gestreichelt oder im negativen Sinne geschubst oder geschlagen werden.

Kinder lernen zwischen eigenen Berührungen und Berührungen anderer zu unterscheiden, so werden Berührungen von Mitmenschen oder der Umwelt höher bewertet als die eigenen Berührungen.

Ein blauäugiges Baby ist in eine weiße Decke gekuschelt.

Mit dieser Unterscheidung geht einher, dass Kinder auch lernen, sich im Raum wahrzunehmen und zwischen sich selbst und anderen zu differenzieren. Berührung unterstützt also die Entwicklung der Selbstwahrnehmung.

Darauf aufbauend entwickeln Kinder ein Verständnis des Selbst und beginnen ab etwa einem Alter von zwei Jahren den Erwartungen anderer gerecht werden zu wollen, weil sie ein Verständnis für die Gefühle ihrer Mitmenschen entwickeln. Sie fangen an Scham zu zeigen, wenn sie diesen Erwartungen nicht gerecht werden können.

Einfluss von Körperkontakt und Berührung auf die Kommunikation

Auch bei der Kommunikation spielt Körperkontakt eine wichtige Rolle. So merken Kinder bspw. beim An- und Ausziehen, beim Tragen, Wickeln oder Stillen schnell, wie es den Eltern gerade geht. Ob sie entspannt, genervt oder in Eile sind. Sie lernen diese feinen Signale zu deuten und passen sich diesen in ihrem Verhalten an.

Ich stille meine Tochter.

Eines der häufigsten Dingen, die ich zu den Müttern in meinen Stillberatungen sage, ist, dass sie für ein ruhiges Setting und eine entspannte Haltung sorgen müssen, bevor sie Stillen. Wenn sie sich beim Stillen nicht wohlfühlen, oder muskulär angespannt sind, merkt das Baby diese Anspannung häufig und passt sich dieser Situation an, indem es ebenfalls angespannt oder unruhig reagiert. Dadurch wird die Nahrungsaufnahme erstmal unwichtig.

Einfluss von Körperkontakt und Berührung auf das Schlafen

Babys schlafen, genau wie Erachsene auch, dann am besten, wenn sie sich sicher und geborgen fühlen. Sie wachen, genauso wie wir, mehrfach nachts auf um sich dieser Sicherheit zu vergewissern. Dieses evolutionär wichtige Verhalten habe ich bereits in einem meiner ersten Artikel "Rudelschlafen" erläutert.

Eine Mutter liegt neben ihrem Kind.

Bezogen auf das, was ich bisher zum Thema Körperkontakt zusammengetragen habe, lässt sich folgern, dass Babys und Kleinkinder am besten schlafen, wenn sie Hautkontakt zu ihrem "Rudel" bzw. ihren Eltern haben. Gerade beim Schlafen im Familienbett oder beim Schlafen in der Tragehilfe merke ich das immer wieder. Auch in meinen Beratungen höre ich immer wieder von Eltern, dass ihr Baby Nähe beim Einschlafen braucht.

Ein Vater beugt sich über sein Baby und küsst es.

Aber das gemeinsame Schlafen hat noch weitere Vorteile, so müssen die Mütter zum Stillen bspw. nicht aufstehen und der Säugling kann sich nach Bedarf seine Portion Nähe abholen. Ob Kinder und Eltern zusammen in einem (Familien-)Bett schlafen, hängt jedoch von vielen Faktoren und den individuellen Bedürfnissen aller Beteiligten ab. Daher ist das gemeinsame Schlafen auch nicht immer die optimale Lösung.

Ich trage meine Tochter im Ring Sling und stille sie dabei.

Mehr zum Thema Schlafen findest du in dem Edition F Artikel "Das Baby raubt uns den Schlaf! […]" von Nora Imlau, in dem sie, fußend auf den Studien vom Schweizer Pädiater Remo Largo, Tipps zum leichteren Schlaf für Eltern und Babys auflistet. Ausführlicher beschreibt Nora Imlau das Thema außerdem in ihrem Buch "Schlaf gut, Baby!", welches sie gemeinsam mit dem Kinderarzt Dr. Herbert Renz-Polster (ebenfalls Autor der Website und des gleichnamigen Buches www.kinder-verstehen.de) verfasste.

Auch auf der emotionalen Ebene ist Nähe sehr wichtig

Auch wenn es in diesem Beitrag eher um die körperliche Nähe ging, möchte ich nicht vergessen zu erwähnen, dass natürlich auch die emotionale Nähe für die Entwicklung Kinder sehr wichtig ist.

Ein Kind schaut traurig über ein Tor aus einem Gebäude heraus.

Insbesondere wenn diese ausbleibt, leiden Kinder sehr darunter. Sie entwickeln psychische und körperliche Symptome, die einer Stresssymptomatik ähneln. Wie drastisch dies sein kann wird in diesem Bericht über eine Studie an rumänischen Waisenkindern deutlich.

In dieser Studie von Charles A. Nelson von der Harvard University wurden die Folgen von Deprivation bzw. Vernachlässigung auf Kleinkinder untersucht. Die Kinder wuchsen unter elendigen Bedingungen auf und erlitten schlimme Vernachlässigung. Es wurde deutlich, dass die Kinder verschiedene Störungen, von psychischen Verhaltensstörungen bis hin zu Intelligenzminderungen entwickelten. Da sie häufiger als andere Kinder erkrankten, schien sogar das Immunsystem der Kinder schwächer entwickelt zu sein.

Fazit

In den letzten Absätzen habe ich versucht die Auswirkungen von Körperkontakt, Nähe und Berührung zu beschreiben. Es wurde deutlich, dass die Bedeutung dessen häufig unterschätzt wird, denn sie ist für Säuglinge sogar lebensnotwendig.

Körperkontakt wirkt sich dabei sowohl auf psychischer, emotionaler, als auch auf physiologischer Ebene aus. Bisher konnten (bei einvernehmlichem) Körperkontakt keine Risiken oder Nebenwirkungen festgestellt werden.

Berührung ist daher von großer Bedeutung für die Gesundheit.

Bildquellen:

Das Titelbild kommt von unsplash.com.

Das 1. Bild im Artikel der Mutter, die ihr Baby auf dem Arm hält kommt von unsplash.com.

Das 2. Bild im Artikel der Babymassage kommt von unsplash.com.

Das 3. Bild im Artikel der schwangeren Frau kommt von unsplash.com.

Das 5. Bild im Artikel der Mutter, die ihr in ein Tuch gewickeltes Baby umarmt kommt von unsplash.com.

Das 4. Bild im Artikel der Zwillinge mit den Mützen kommt von unsplash.com.

Das 6. Bild im Artikel des Babys mit der weißen Decke kommt von unsplash.com.

Das 8. Bild im Artikel der Mutter, die neben ihrem Kind liegt kommt von unsplash.com.

Das 9. Bild im Artikel des Vaters, der sein Baby küsst kommt von unsplash.com.

Das 11. Bild im Artikel des Kindes, das traurig aus dem Gebäude schaut kommt von unsplash.com.

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